Die Zeit der Hunde
Es dämmerte bereits, als ich die Brücke zurück ins Dorf betrat. Ich passierte die ersten Häuser und den Kulla-Turm.
Und als ich mich noch einmal zum Fluss umsah, da kroch der fast volle Mond hinter den Bergen hervor und tauchte das Tal in ein violettes Licht. Die grauen Dachschindeln der Höfe glänzten wie Fischschuppen in seinem Schein und die Wachhunde der Bauern, als hätten sie den ganzen Tag nur auf diesen Moment gewartet, heulten.
Erst vereinzelt, mal nah, dann fern, dann etwas flussaufwärts. Lobos Frage-, und Antwortspiel. Ihre Rufe hallten laut in diese noch scheue Nacht und erhoben sich langsam zu einem kakophon-anklagenden Gesang.
Da musste ich unwillkürlich an dich denken, als ich dich in Canterbury besuchte.
Früh morgens auf deiner kleinen Veranda, rauchte ich eine Zigarette von deinem Tabak und zählte die Häschen, die über die taufrische Wiese sprangen. So viele Karnickel hatte ich lange nicht auf einem Haufen gesehen. Das war viel zu viel fröhliches Gehopse für meinen Kater und mich.
Du tratest zu mir, dein Kaffee dampfte und deutetest auf den Rasen.
„Mir scheint manchmal, als gäbe es hier auf dieser Wiese eine bestimmte Zeiteinteilung. Es ist, als hätten die Tiere sich untereinander abgesprochen und ihre Aktivitäten gerecht verteilt. Über Nacht, da wachsen immer ein paar neue Maulwurfshügel. Schau! Drei neue. Am Morgen dann, da gibt es die Zeit der Kaninchen. Mittags kommen die Möwen vom Meer herüber und am Abend, da ist es die Zeit der Füchse.“
Mir hatte dieser Moment sehr gefallen und als ich hier in Nordalbanien über die feuchte Wiese stapfte, den Maulwurfshügeln ausweichend und die warnenden Rufe der Hunde hörte, war es mir, als würden sie genau dies miteinander besprechen: „Horcht, die, die ihr da noch wandelt“, riefen sie „horcht, denn nun ist die Zeit der Hunde angebrochen“.
Als ich bei meiner Gastgeberin ankam und an ihre Tür klopfte, sah diese erleichtert aus.
„Gut, dass du zurück bist!“, sagte sie. „Hast du gehört? Die Hunde haben angeschlagen. Komm rein! Es ist die Zeit, in der die Bären vor ihrem Winterschlaf bei hellen Nächten wie diesen manchmal bis ins Tal hinunter kommen. Sie sind hungrig.“ (…)
