Gespräche mit meinem Vater
Mittagessen
Ich reiche meinem Vater das Salz und erzähle ihm von meinen Plänen im Kosovo vielleicht einen Wagen zu kaufen, um damit dann im Herbst von Berlin bis nach Baku zu fahren. Ich zeige ihm Bilder auf meinem Handy von einem Modell nachdem ich suche.
„Bist du verrückt?“, unterbricht er mich. Etwas Soße tropft auf das perfekt-zerbügelte Streifenhemd. Er flucht.
„Wie willst du denn die Karre überhaupt hierher bekommen?“
Ich stocke.
„Na, fahren?“, sage ich.
„Na aber, also mit der Plakette kommst du nicht weit. Und die Versicherung? Und der TÜV! Den bekommst du niemals durch den TÜV und dann die Kosten beim Zoll?! Das ist doch verrückt. Lass das.“
„Papa,“ harke ich vorsichtig ein „das mitm TÜV und so, das müsste man natürlich vorher alles regeln...“
„Na und nachher ist der Wagen gestohlen und denn hast du das alles an der Backe!“
Er schüttelt den Kopf und mit zwei kurzen Handbewegungen sind das Thema und meine Träume vom Tisch und rieseln zusammen mit den Baguettekrumen dem Dackel entgegen.
Der freut sich und leckt die Küchenkacheln ab. Jeder Schlapp ein Stück Knusperbrot.
Nach ein paar Minuten Stille frage ich meinen Vater wie es ihm denn geht, weil ich sehe, dass er sehr langsam isst.
Natürlich bestens, versichert er mir und erklärt mir umgehend alle Details seines neuen Herzschrittmachers und wie ihn die Kardiologin gelobt habe und was ihre Kinder so machen und wo diese wohnen. Dann zählt er all die Dinge auf, die er heute noch zu erledigen hat.
Aber das will ich gar nicht wissen.
Ich höre zwar was er sagt, habe aber auch gelernt zu hören, was er meint.
Frage ich, wie es ihm geht, antwortet er stets damit, was er macht, woran er arbeitet, was er herausgefunden hat, was der Hund nicht mehr frisst, was die Nachbarn tratschen und was der Bruder vom Bürgermeister neuerdings so dienstags betreibt.
Es geht immer ums Tun, um ein Erledigen, ein Funktionieren. Nie darum, wie man sich fühlt. Was einen vielleicht sorgt, was man sich wünscht oder erhofft.
Was ihm Angst macht. Er ist ein Nachkriegs,- und Wirtschaftswunderkind, einer der Vergesser, der Nicht-Fragensteller, ein Weitermacher.
Als ich am späten Abend wieder in Berlin ankomme klingelt mein Handy.
Warum ich denn nicht sofort angerufen hätte, um ihm zu sagen, dass ich wieder Zuhause angekommen sei, ruft er erbost ins Telefon: „Es war doch glatt auf den Straßen!“
Ich entschuldige mich, höre den Vorwurf und ahne die Sorge, die immer in einem unausgesprochenen Unterton auf einer anderen Frequenz mitschwingt. Mein Großvater war einst Funker und Morser. Ich glaube, ich bin es auch, aber für all die leisen Zwischentöne meines Vaters.
Ich frage ihn, ob es ihm besser geht.
„Nicht der Rede wert! Schau besser endlich in deine Mails! Ich habe dir schon vor Stunden das vom TÜV geschickt, und auch alles, was du da beim Zoll beachten musst“, ruft er noch in den Hörer und legt auf.